Kleines Vorwort

Berti Schulte-Wintro geb. Bunsmann
Berti Schulte-Wintro geb. Bunsmann

Berti Schulte-Wintrop geb. Bunsmann wird 1891 in Münster geboren. Sie führt Tagebuch und hat die Erinnerungen an ihre Zeit in Münster im Tagebuch Nr. 1 festgehalten. Der Inhalt kann hier aufgerufen werden.

 

Berti schreibt über die große Liebe ihres Lebens, von den Dinge des Alltags und über die Kriegsjahres des 1. Weltkrieges und dem Kriegsende in Münster. Ergreifend ist ihre Schilderung über das Sterben ihres geliebten Vaters, der als angesehener Arzt in Münster seinen Beruf ausübte.

 

Der hier wiedergegebene Teil ihrer Erinnerungen führen in die frühen Jahre des 20. Jahrhunderts und schildern wie es war, als sie die Erstkommion empfing.

 

Frau Dr. Jutta Schlia-Zimmermann, Enkelin von Berti, hat mit großem Zeitaufwand den umfangreichen Text transkribiert und das Bildmaterial zur Verfügung gestellt. Ich danke ihr sehr herzlich.

 

Henning Stoffers


Erinnerungen an die Erstkommunion in Münster

Mein erster Kommuniontag am 8. April 1904 war ein etwas geräuschvoller Festtag. Ich trug ein steifes wollenes Kaschmirkleid, das bis auf die blanken schwarzen Stiefelspitzen reichte. Dazu ein sogenanntes Köllchen, eine Art kleine Pelerine und ein Mützchen von Tüll, Spitze und Seidenbändern, worin hinten der Zopf hing, der zum ersten Male aufgesteckt wurde. Alles war sehr solide und teuer und natürlich ganz in weiß. Das Hemd und die Hosen, die bis weit über die Knie gingen, waren mit sehr feinen, dicken Spitzen und Durchsätzen verziert. Ein Unterrock war aus Wolle mit Languetten und darüber wieder ein ganz schwerer und langer mit Stickerei. Selbstverständlich war das Kleid mit Stehbart und langen Ärmeln versehen und mit einer steifen Seidengarnierung. Ich trug zum ersten Mal ein Korsett, was häßlich drückte. Mit Mutter allein ging ich durch die noch menschenleeren Straßen zum Dom, wobei meine Schuhe laut klapperten.

Taufurkunde
Taufurkunde

Der lange Rock schlug um meine Beine. Alles lenkte mich stark ab. Ich empfand auch kein besonderes Glücksgefühl bei der hl. Feier, war wie benommen von all den neuen Dingen. Als wir aus der Kirche traten, Vater und die Geschwister waren mittlerweile auch gekommen, standen am Portal viele Menschen und gratulierten den herauskommenden Kindern. Die kleinen zum 1. Mal kommunizierenden Jungens waren richtige Gegenstücke zu uns: schwarze Anzüge wie Herren, mit langen Hosen, Krawatten und steifen Hüten. Manchmal vergaßen sie sich und liefen oder hüpften. Dann sahen sie aus wie Teufelchen.

 

Am Kirchenportal waren auch Großmama und Großpapa. Mutter und ich stiegen in unser elegantes Coupe, das dort hielt. Die treue blanke Zilla guckte mich verdutzt an, weil ich sonst wohl nie so feierlich war. Der Kutscher war in seiner besten Livree. Unsere Pferde, Wagen, Kutscher u.s.w. konnten sich sehen lassen. Wir hatten wohl fast die besten der Stadt. Onkel Franz in Aachen hatte ja auch eine Wagenfabrik, und Großpapa Bunsmann hatte eine gehabt. Großmama Ebert, die ziemlich herrschsüchtig war, war anscheinend beleidigt, daß sie nicht mit mir im Coupee nach Hause fuhr. Sie mußte mit den anderen gehen.

 

Rauschend von schwarzer Seide setzte sie sich mit den anderen in Bewegung. Ich war ihr ältestes Enkelkind, und sie versuchte immer, sich mit mir zu beschäftigen, doch sind wir uns sehr fremd geblieben. Sie war eine geborene Krüger und aus sehr gutem, wohlhabenden Hause. Ihre Mutter war noch eine rechte Biedermeier Dame, die wie meine Mutter erzählte, noch steif und gerade auf dem Kanapee saß, das gestickte Perlenkissen im Rücken und neben sich den Klingelzug an der Tür. Sie ist, soviel ich weiß, eine Melchers gewesen, eine Verwandte vom Kardinal Melchers.

 

Als wir zu Hause angekommen waren und uns an die reich geschmückte Familien = Frühstückstafel setzen wollten, nahm mich Großmama zur Seite und sagte mir ins Ohr: „Berti, bete um Einigkeit in der Familie!“ - Ich war sehr erstaunt, da ich keine Ahnung davon hatte, ob Uneinigkeit in der Familie sei und sagte erschreckt : „Ja!“ - Als ich später Vater davon erzählte, brummte er etwas in seinen Bart, das sich anhörte wie „Schafskopp“.

Vater Dr. Heinrich Bunsmann voll Stolz in seinem Auto, welches damals eines der Wenigen in Münster war. Auf dem Schoß hat er den Hund Bob.
Vater Dr. Heinrich Bunsmann voll Stolz in seinem Auto, welches damals eines der Wenigen in Münster war. Auf dem Schoß hat er den Hund Bob.

Es schloß sich an die Frühstückstafel ein unendlich langes Defilee von Gratulanten. Ich bekam viel Blumen, sieben Bilder, eine goldene Uhr mit Kette, 2 Serviettenringe mit Monogramm, 4 goldene Ringe, Halsketten, Anhänger, Ledertäschchen, Rosenkränze von Perlmutter und Silber, viele Gebetbücher, fromme Bücher u.s.w. Wir gingen zum Bischof, die Mädchen und die schwarzen Teufelchen und bekamen ein Bild, zu verschiedenen Domherren, auch zum Dompropst Parmet, Vaters Onkel, zu unserem alten Religionslehrer Schuhmacher, zu den Lehrerinnen Tiemann und Erdland. Dann kam die Mittagstafel, eine Andacht im Dom und Kaffeetisch. Danach ging man in den Garten, der hübsch aussah im ersten Grün und in dem nach dem Stall zu eine Reihe Tulpen und Hyazinthen blühten. Der Springbrunnen plätscherte, meine Geschwister spielten Kriegen. Auf einmal vergaß ich meine Würde, raffte meine Schlappröcke zusammen und sprang wie sie um den Rasenplatz herum. Bis mir dann die Ungehörigkeit solchen Tuns einfiel.

 

Wirkliche religiöse Erhebung hatte ich erst im folgenden Jahre, anläßlich Pias erster Heiliger Kommunion. Tönes Fest fand in Haste im Ursulinenkloster statt, wohin sie kam, weil sie sitzen blieb, und drei Jahre zubrachte. Sie trug schon einen Schleier. Lilli hatte ihre Feier in der Töchterschule. Ich glaube, Carl und ich hatten uns damals gerade verlobt.


Quellen

Text und Abbildungen: Dr. Jutta Schlia-Zimmermann

Redaktion: Henning Stoffers