Liebe Leserin, lieber Leser,

Ob die Geschichte des einstigen Fußballvereins Teutonia Vennheide an dieser Stelle veröffentlicht werden könnte, fragte Wolfgang Leifken. Er selbst war in Münster viele Jahre leidenschaftlicher Fußballer und erfolgreicher Trainer,  ...und so kennt Wolfgang Leifken vieles aus Münsters Fußballgeschichte.

 

Sein Beitrag ist ein Teil der sportlichen Stadtgeschichte. Ich freue mich darüber, denn solche Erinnerungen zeigen die Vielfalt unseres städtischen Lebens.


Die Goldene Generation von Teutonia Vennheide

Erste Anfänge

Im Jahre 1954 – Deutschland war gerade sensationell Weltmeister geworden – gründeten fußballbegeisterte Einwohner des Münsterschen Stadtteils Vennheide einen Fußballverein, um ihrem Hobby nachgehen zu können.

WN 16.8.1954
WN 16.8.1954

Dass dieser Verein und seine Spieler in den 18 Jahren seines Bestehens in und um Münster für so viel Aufsehen und Furore sorgen würden, konnte damals noch niemand erahnen.

 

Da zunächst kein geeigneter Sportplatz zur Verfügung stand, wurden Spieler und Zuschauer auf den vom 1. Vorsitzenden August Lüdecke organisierten Lastwagen ins 20 Km entfernte Appelhülsen gekarrt.

 

Auf dem Rasenplatz des dortigen Martinistifts konnte man die ersten Fußballspiele austragen. Einige Zeit später gelang es dem Verein, ein Gelände am Sonnenbergweg von der Stadt Münster zur Verfügung gestellt zu bekommen. In Eigenleistung wurde es zu einem Fußballplatz hergerichtet, und die Spieler der ersten Stunde von Teutonia Vennheide konnten den Spielbetrieb in direkter Nähe aufnehmen.

Aufstieg in die 1. Kreisliga
Aufstieg in die 1. Kreisliga

Bereits 1956 wurde der erste Aufstieg von der 3. in die 2. Kreisklasse gefeiert.


Die Vereinsstruktur war damals noch nicht weit entwickelt: Umkleidegebäude am Platz gab es noch nicht, so dass die Waschküche der Gaststätte Vennemann hierfür herhalten musste.
Auch die Jugendabteilung musste sich behelfen.  Es gab 2 Mannschaften, eine A–Jugend und eine Mannschaft, in der alle Jüngeren zusammengefasst wurden. Auswärtsspiele zu münsterschen Nachbarvereinen, aber auch nach Albersloh oder Sendenhorst wurden mit dem Fahrrad absolviert – für heutige Verhältnisse undenkbar. Dafür gab es aber zur Belohnung nach einem guten Spiel dann und wann ein Glas Regina bei Vennemann.


Bei den Senioren sei angemerkt, dass sich die Spieler bis dato in Eigenregie fit hielten und keinen verantwortlichen Trainer hatten.

Die frühen Teutonen
Die frühen Teutonen

Berni Scholthaus, der Initiator des Aufschwungs

Fiffi Gerritzen
Fiffi Gerritzen

Dies änderte sich erst, als der „Mann mit Hut“ auftauchte, der die Geschichte von Teutonia Vennheide maßgeblich beeinflussen sollte: Berni Scholthaus.

 

Scholthaus, ein gut situierter Frührentner und Fußballfachmann, der im Münsterschen Fußball und darüber hinaus gut vernetzt war, erkannte die außergewöhnliche Qualität der Spieler, die dort am Sonnenbergweg ihrem Hobby nachgingen.

 

Fortan kümmerte er sich um die Entwicklung der Mannschaft und organisierte als erstes einen Trainer. Dies war kein Geringerer als Herbert Kania. Der Oberliga-West und spätere Bundesligaspieler von Preußen Münster, der für seinen kompromisslosen Einsatz berühmt war (Jumbo, lass die Ketten rasseln!), hielt die Truppe im Felix-Magath-Stil fit. Hanjo Hermanns, der bereits als 17-jähriges Talent 1960 in die Seniorenmannschaft übernommen wurde, erinnert sich: „Wir sind den Bahndamm am Platz bis zum Erbrechen rauf und runter gerannt. Balltraining oder taktische Übungen gab es nicht. Es zählte nur die Fitness.“ Da die gesamte Mannschaft konditionell gut vorbereitet war und zudem einige überragende Fußballer in ihren Reihen hatte, blieb der Erfolg nicht aus:

Unter Kania gelang 1962 der Aufstieg in die 1. Kreisklasse.

Der Teamgeist als Garant des Erfolges

Ein entscheidender Faktor für den sportlichen Erfolg war - neben der fußballerischen Klasse der einzelnen Spieler - der mannschaftliche Zusammenhalt. Nach den Spielen saß man noch in den Umkleideräumlichkeiten und danach auch in der Gaststätte Vennemann bis in die späten Abendstunden mit den Frauen und Freundinnen beim Bier und vielen Fußballliedern zusammen.

Meister 2. Kreisklasse
Meister 2. Kreisklasse

Nach einem Abstieg und dem neuerlichen Aufstieg in die 1. Kreisklasse gelang unter dem neuen Trainer Norbert Hillebrand der Aufstieg in die Bezirksklasse.

Architekt des Erfolges war nach wie vor Berni Scholthaus, der die Qualität der im Kern aus Vennheider Jungs bestehenden Truppe durch einzelne sinnvolle Ergänzungen steigerte. So spielten regelmäßig Angehörige der in Gremmendorf stationierten britischen Rheinarmee bei den Teutonen, und auch vom Nachbarverein ESV wechselten die Spieler H. Pohlschmidt, Schnoor, Schöppner und Niehues an den Sonnenwegweg.

Unvergessliche Momente bei Freundschaftsspielen

Spielszene Schalkespiel
Spielszene Schalkespiel

Auch die Organisation von fußballerischen Highlights ging auf das Konto von Scholthaus. Für alle Beteiligten unvergessen war 1965 der 3:2 Sieg der Vennheider Jungs gegen die Amateure von Schalke 04 vor 35.000 Zuschauern. Es war das Vorspiel zur Bundesligabegegnung Schalke 04 gegen Eintracht Braunschweig in der Gelsenkirchener Glückauf-Kampfbahn. Hierzu nutzte Scholthaus seine Bekanntschaft zum ehemaligen Schalker Torwart und damaligen Trainer der Schalker Amateure Jupp Broden.


Im weiteren Verlauf kam es zu Spielen des kleinen münsterschen Vereins bei den 2. Mannschaften des HSV und Hertha BSC sowie der DJK Gütersloh.

Aufstieg in die Landesliga

Bezirksligameister
Bezirksligameister

Die Bezirksklassensaison 69/70 verlief dramatisch bis zum letzten Spieltag. Teutonia und Nachbarverein TuS Hiltrup lieferten sich ein erbittertes Kopf-an-Kopf Rennen an der Tabellenspitze. Und auch hinter den Kulissen wurde heftig um die Meisterschaft und den damit verbundenen Aufstieg in die Landesliga gerungen:
Um sich auf der Torwartposition zu verstärken, hatte Scholthaus mit Hans Benzler einen Akteur verpflichtet, der zuvor von 1958 beim VfR Mannheim in der Oberliga Süd und danach von 1967 bis 1970 bei Bayer Leverkusen in der Regionalliga West als Vertragsspieler gespielt hatte.


Der Konkurrent um den Aufstieg, TuS Hiltrup, zweifelte die Spielberechtigung des Spielers für Teutonia an ließ dies in einem sportgerichtlichen Verfahren überprüfen. Benzlers Spielberechtigung wurde bestätigt, und mit einem 2:0 Sieg über Münster 08 feierte Teutonia unter Spielertrainer Jimmy Schnoor 1970 den Aufstieg in die Landesliga.

Umzug und Umbenennung des Vereins

Mit diesem sportlichen Erfolg tat sich aber gleichzeitig für den kleinen Stadtteilverein ein Dilemma auf: Die Platzanlage am Sonnenbergweg wies keine Landesligatauglichkeit auf, und der Verein war nicht in der Lage, die Vorgaben auf dieser Anlage und in der Kürze der Zeit zu erfüllen. Folgerichtig musste nach einem alternativen Spielort gesucht werden.


Während die Teutonen und viele Spieler des TuS Hiltrup eine Fusion beider Vereine befürworteten, um so auf einem geeigneten Gelände eine Landesliga- und eine Bezirksklassenmannschaft zu haben, lehnten die Funktionsträger von Teutonia diesen Vorschlag ab.


Berni Scholthaus fand schließlich mit dem im Norden Münsters gelegenen Verein Schwarz-Weiß Coerde einen Fusionspartner, und es entstand ein neuer Verein: SV Teutonia Münster
Die Spiele in der neuen Liga wurden jetzt nicht mehr heimatnah am Sonnenbergweg, sondern im Coerder Waldstadion ausgetragen, und auch das Umfeld der Erfolgstruppe erfuhr Veränderungen.
So engagierte sich der Unternehmer Helmut Wolters finanziell ab sofort, um die Mannschaft weiter zu verstärken. Sein persönliches Bestreben war es, dem SC Preußen als führendem Verein in der Stadt den Rang abzulaufen. So berichtete Hanjo Hermanns, dass der ehemalige Trainer des SCP, Richard Schneider, das Training der Teutonen im Auftrag von Wolters mehrfach beobachtet habe, um evtl. Schwachstellen im Kader festzustellen und neu zu besetzen. Auch mussten die Spieler Ray Scott und Howey Jones ersetzt werden, da sie nach Herford abkommandiert wurden und entsprechende Lücken hinterließen.

WN 16.10.1967
WN 16.10.1967

Verpflichtung von Ex-Profis

Nach dem Motto „nicht Kleckern sondern Klotzen“ verpflichtete Wolters neben einigen anderen Akteuren den ehemaligen Bundesliga- und Regionalligaspieler des SC Preußen Manni Podlich und den vormaligen HSV- und Schalke- Profi Manni Pohlschmidt. Dass der Wechsel ins Coerder Waldstadion diesen beiden Hochkarätern und auch den anderen Neuzugängen nur mit diversen materiellen und finanziellen Zuwendungen schmackhaft gemacht werden konnte, lag auf der Hand.

 

Dies ergab innerhalb des Landesligateams eine Zweiklassengesellschaft, denn die ursprünglichen Vennheider Jungs spielten nach wie vor aus Freude am Fußball und waren auch weiterhin Leistungsträger. Ihre Bitte um eine Angleichung der finanziellen Zuwendungen wurde von den Vorstandsmitgliedern Wolters und Averbeck abgelehnt.

Zerfall der erfolgreichen Mannschaft

Enttäuscht und verärgert ob der Ungleichbehandlung verließ der Kern der Vennheider Mannschaft zum Saisonende den Verein und kehrte zu seinen Wurzeln an den Sonnenbergweg zurück. Der SV Teutonia Münster hielt sich noch 3 weitere Jahre in der Landesliga. 1972 wurde der Aufstieg in die Verbandsliga knapp verpasst. Danach erfolgte der Absturz in die Kreisklasse.

Aus alten Tagen... WN 16.12.1955
Aus alten Tagen... WN 16.12.1955

Die Vennheider Jungs um Peter Schmieder, Rolf Heithorn, Siggi Eichendorf, Josef Hidding, Raimund Walter, Hanjo Hermanns und Weiteren spielten ein Jahr als „Thekenmannschaft“ just for fun. Im Jahre 1972 gründeten sie den Verein BFV 72 und stiegen noch einmal bis in die Kreisliga A auf.


Dem fortgeschrittenen Alter Tribut zollend kickten die Jungs, die in Münsters Fußballszene Geschichte geschrieben hatten, in den Folgejahren noch zusammen erfolgreich in der Alten Herren. Geselligkeit, gemeinsame Unternehmungen und Fahrten mit ihren Frauen und Partnerinnen u. a. nach Venedig, Salzburg, Wien und Brünn, so wie der Spaß am Fußball standen auch hier wie in all den erfolgreichen Jahren im Vordergrund. Bei diesen Reisen wurden auch immer Freundschaftsspiele ausgetragen.


Heute können die noch lebenden Mitglieder dieser „Goldenen Generation“ aus Vennheide auf ein erfülltes und aufregendes Fußballerleben auch ohne Groll zurückblicken. Es überwiegen der Stolz und die schönen Erinnerungen.


Über Wolfgang Leifken

1954 in Münster geboren

Beruf

Lehrer

zuletzt Schulleiter Kreuzschule Coesfeld

jetzt Pensionär

Fußball

Leidenschaftlicher Fußballer

Heimatverein SV Bösensell, GW Nottuln

33 Jahre als Trainer tätig gewesen, u.a. GW Nottuln, Union Lüdinghausen, SV Bösensell, GW Gelmer, SG Sendenhorst, VfL Senden und GW Amelsbüren

Hobbies

Walking football, Rennrad fahren und Golf spielen



Quellen

Text: Wolfgang Leifken

Fotos: Hanjo Hermanns

Redaktion: Henning Stoffers