das münstersche Kiepenkerl-Denkmal ist für jemanden, der in Münster geboren oder dort aufgewachsen ist, ein Begriff. Eigentlich fast eine Institution. Gab es immer. Gehört einfach dazu. Lange Zeit war ich im Glauben, das Denkmal hätte ein entfernter Verwandter meiner Mutter Gerda (eine geborene „Schmiemann“), geschaffen. Genaues dazu wusste ich aber nicht.
Mit Einstieg in die Familienforschung vor zwei Jahren dann die Überraschung. Denn August Schmiemann, der münsteraner Bildhauer und Schöpfer des Kiepenkerl-Denkmals, ist nicht „irgendwie“ mit mir verwandt, sondern der Urgroßvater meiner Mutter. Oder kurzum gesagt: Mein Ur-Urgroßvater mütterlicherseits. Und er hat mehr erschaffen, als „bloß“ den Kiepenkerl. Meine Neugier war geweckt. Dank Vorarbeit von Professor Dr. Wolfgang Gernert, der im Buch „Westfalen, Band 89“ einen ausführlichen Artikel über August Schmiemann, den „vergessenen Bildhauer“ geschrieben hat, konnte ich mit Starthilfe ins Thema einsteigen. Mittlerweile kann ich bestätigen, was in der Literatur zu finden ist.
August Schmiemann war über fünf Jahrzehnte hinweg ein fleißiger, anerkannter, umsetzungsfreudiger und äußerst begabter Kunstbildhauer, der eine Vielzahl an Werken geschaffen hat. Durch meine Recherchen hat sich ein sehr ausführliches Bild von ihm und seinen Werken ergeben, dass ich gern mit allen Interessierten teilen möchte.
Viele der Werke meines Ur-Urgroßvaters habe ich besucht und fotografiert. Ich freue mich, dass ich in diesem Gastbeitrag darüber berichten darf. Auf Facebook und Instagram findet man meine Beiträge über den Hashtag #augustschmiemann.
Ihr Daniel Westphal
August Schmiemann wurde am 17. Februar 1846 in Münster geboren und lebte hier bis zu seinem Lebensende am 05. August 1927.
Sein Geburtshaus stand in der Königsstraße 34. Mit seiner Frau Elisabeth geb. Meschewsky und den 10 Kindern wohnte er später in der Amselstraße 5 (ehem. Schillerstraße A 5), wo er auch sein Atelier hatte. Das Haus in der Amselstraße wurde im Zuge der Bahnhofserweiterung in den 1920er Jahren an die Bundesbahndirektion verkauft, die gesamte Straße existiert heute nicht mehr.
Drei seiner Söhne wurden ebenfalls Bildhauer. Zwei davon zogen nach Leipzig, wo sie u.a. für Max Klinger und Rodin tätig waren.
August Schmiemann stammte aus einer alteingesessenen „Poahlbörger“-Familie. Sein Vater Johann Bernard Schmiemann war Kleinhändler in Uppenberg (Kirchspiel Überwasser) und betrieb nebenher noch etwas Ackerbau. August Schmiemann sollte eigentlich Priester werden. Sein Patenonkel, der Theologie-Professor August Bisping aus Albersloh, wollte ihn direkt nach dem Gymnasium beruflich auf eine geistliche Laufbahn schicken.
Doch gegen die Widerstände seiner Eltern und seines Onkels setzte sich August durch und absolvierte eine Lehre zum Bildhauer. Die Wanderjahre führten ihn zunächst zu Professor Doppmeier nach Hannover, wo er die technische Hochschule besuchte. Dann zur Kunstschule „Felix Meritis“ nach Amsterdam. Anschließend hospitierte er an der Kunstakademie in Berlin, bevor er zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/1871 eingezogen wurde. Nach seiner Rückkehr heiratete er in Münster seine Jugendliebe Elisa Meschewsky, mit der er 10 Kinder hatte.
Die Werke Schmiemanns sind überwiegend im Münsterland zu finden, aber auch im Rheinland, Emsland und Ruhrgebiet war er tätig. Sogar bis nach Amerika hat es seine Kirchenkunst geschafft. Am bekanntesten dürfte für Münsteraner das Kiepenkerl-Denkmal am Spiekerhof sein, dass von ihm geschaffen wurde. Aber auch zahlreiche Gotteshäuser sind mit Schmiemanns Werken ausgestattet.
Es ist eines der Wahrzeichen der Stadt und seit über 125 Jahren weit über Münster hinaus bekannt: das Kiepenkerl-Denkmal. Das Original wurde 1896 im Auftrag des Verschönerungsvereins von August Schmiemann geschaffen und gibt dem Viertel rund um den Spiekerhof seinen Namen. Zahlreiche kleine Geschäfte, Restaurants und Kneipen laden im Kiepenkerl-Viertel zum Bummeln und Verweilen ein. Den schweren Bombenhagel auf Münster im Oktober 1943 überstand das Denkmal, aber beim Einmarsch der Alliierten 1945 wurde es durch einen Panzer zerstört.
Das alte Gipsmodell existierte glücklicherweise noch, und so wurde der Kiepenkerl 1953 von Albert Mazzotti jun. neu gegossen.Das münsteraner Denkmal gab den Anstoß für weitere „Doppelgänger“, die es sogar bis nach Amerika geschafft haben.
Eine lebensgroße Kopie des münsterschen Denkmals zierte seit 1930 den Uhrenturm eines großen Geschäftsrondells auf dem Worringer Platz in Düsseldorf. Die pfeiferauchende Figur warb für die in Düsseldorf, Bremen und Hamburg ansässige Tabakwarenhandlung Mühlensiepen. Das Geschäftsgebäude wurde im 2. Weltkrieg teilweise zerstört und später abgebrochen. Die unbeschädigte Bronzefigur fand zunächst einen neuen Platz auf dem Firmengelände der Tabakwarenfabrik Oldenkott in Rees (Niederrhein). Mittlerweile steht die Figur im Stadtpark von Rees.
Einen weiteren „Doppelgänger“ erhielt das münsterische Denkmal im Jahre 1987: Der amerikanische Künstler Jeff Koons ließ für die „Skulptur Projekte in Münster 1987“ einen Nachguss in poliertem Edelstahl anfertigen, der drei Monate den Brunnensockel am Spiekerhof zierte. Dieses Werk befindet sich heute vor dem Hirshhorn Museum in Washington (USA).
Hermann Landois, geboren 1835, war ein deutscher Zoologieprofessor und Gründer des Zoologischen Gartens zu Münster, sowie des Westfälischen Provinzialmuseums für Naturkunde, dem heutigen LWL-Naturkunde-Museum.
Das Denkmal wurde von ihm selbst in Auftrag gegeben und von August Schmiemann geschaffen. Landois und Schmiemann kannten sich schon aus Jugendzeiten. Bemerkenswert ist, dass Landois den Zylinder seines Standbilds als Nistkasten ausführen ließ. Im Jahre 1900 und somit noch zu seinen Lebzeiten wurde es zum 25-jährigen Jubiläum des Zoologischen Gartens errichtet. Dies sorgte für viel Diskussionsstoff in und um Münster.
Landois war ein „bunter Hund“, ein Exzentriker. Seine schrullige Art zog sich durch sein ganzes Leben. So gründete er als erklärter Vogelfreund einen Anti-Katzenverein. Der Affe Lehmann war sein ständiger Begleiter. Der Überlieferung zufolge soll der Affe an einer „Säuferleber“ gestorben sein.
Seit dem Umzug des Zoos an den Aasee steht das Denkmal am Landois-Platz im Allwetterzoo Münster.
Der St.-Paulus-Dom ist die Keimzelle der Stadt Münster, die einst den Namen Monasterium trug. Dieser lateinische Begriff steht für Kloster und zeugt von der tiefst katholischen Herkunft der Stadt.
Schmiemann schuf unter anderem die Bronzetafeln an der Domkanzel und die Johannesfigur an der Kanzeltreppe 1883/84. Bei der Erneuerung des Westportals schuf er 1902 eine vierköpfige Figurengruppe.
Im Bombenhagel auf Münster 1943 wurde der Dom schwer beschädigt. Das Westportal, sowie ein großer Teil der Inneneinrichtung, wurde dabei zerstört. Dazu gehören leider auch Schmiemanns Werke. Die zerstörten Gebäudeteile wurden später in anderem Stil neu aufgebaut.
In den Jahren 1907 - 1913 hat August Schmiemann an der Neugestaltung der St. Lambertikirche mitgewirkt. Von ihm stammen sechs Heiligenfiguren an den Außenpfeilern. Dazu gehört u.a. die Figur des heiligen Bonifatius, die an der Südseite zum Prinzipalmarkt angebracht ist. Weitere Figuren sind der Hl. Ludgerus mit dem goldenen Bischofsstab, der Heilige Erpho, der heilige Norbert von Xanten, die Johanna von Orleans und Petrus Canisius.
Außerdem stammen von Schmiemann große Teile der Rekonstruktion des Wurzel Jesse-Motivs am südlichen Hauptportal. Der "Stammbaum Jesu" wurde aufgrund von Witterungsschäden als weitgehend werkgetreue Kopie erneuert und das Original eingelagert.
Nicht so präsent wie St. Lamberti, aber ebenfalls von schlichter Schönheit, ist die Kirche St. Martini, die in der Nähe des Stadttheaters liegt. Teile des Figurenprogramms im 4. Turmgeschoss stammen von August Schmiemann. Dies sind an der Südseite die Statuen des St. Salvator und St. Johannes Baptist.
In der Stiftsherrenstraße, direkt hinter dem Kirchplatz, liegt die Martinischule. Die Bildhauerarbeiten an der Fassade der 1904/1905 erbauten Schule stammen ebenfalls von August Schmiemann. Das Relief zeigt den Schutzpatron der Schule, den heiligen St. Martin beim Teilen seines Mantels mit dem Bettler. Die Fassade steht seit 1985 unter Denkmalschutz.
Ein weiteres Denkmal, welches von Landois bei Schmiemann in Auftrag gegeben wurde und im Zoo errichtet wurde, ist das Denkmal für den Naturforscher Ferdinand Freiherr von Droste-Hülshoff. Das Denkmal bestand aus einem burgmauerähnlichen Aufbau, der in der Mitte ein Medaillon mit dem Bildnis des Freiherrn trug.
Das Denkmal besteht nicht mehr, die Plakette blieb aber erhalten und wurde an der Mauer am Landois-Platz aufgehängt. An dieser „Ruhmesalllee“ befinden sich noch weitere Medaillons. Sie zeigen allesamt Naturwissenschaftler, die sich mit Landois zusammen zum Aufbau des Zoologischen Gartens verdient gemacht haben.
Die Kirche St. Pantaleon liegt im Ortskern von Roxel. Von 1898 bis 1901 entstand nach Entwürfen des Architekten Hilger Hertel dem Jüngeren das neugotische Hallenlanghaus und eine Erneuerung des Turmportals. Mehrere Bildhauer aus Münster und Umgebung waren daran beteiligt. Das Nordportal zeigt am prägnantesten das neogotische Formenrepertoire und die Qualität der Steinmetz- und Bildhauerarbeiten. Die Giebelfläche des nördlichen Querhauses ist durch drei Spitzbogenblenden gegliedert.
Sie nahm ursprünglich eine von August Schmiemann in Münster gefertigte Kreuzigungsgruppe auf, die heute durch ein mit Blendmaßwerk gerahmtes Kreuz zwischen zwei Konsolen ersetzt ist.
Das Portal der Sakristei, dass bei der Erweiterung 1980/81 nach Norden versetzt wurde, zeigt im Giebel eine Figur des Erzengels Michael auf einer Blattkonsole, ebenfalls aus dem Atelier von Schmiemann in Münster.
August Schmiemann schuf außerdem die beiden Heiligenfiguren im südlichen Seitenchor, den heiligen Antonius von Padua und Antonius dem Eremiten.
Der deutsche Biologe und Heimatforscher Dr. Fritz Westhoff nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Sein Spitzname „Dr. Longinus“ ist auch im westlichen Münsterland nicht nur aufgrund seiner Körpergröße ein Begriff, trägt doch der vom Baumberge Verein unter seiner Leitung gebaute Longinusturm seinen Namen.
Ihm zu Ehren hängt auch dort eine Bronzeplakette, die ebenfalls aus dem Atelier Schmiemann stammt.
Weitere Werke von August Schmiemann sind beispielsweise das Bismarck-Denkmal in Bad Bentheim (1901), das Preussen-Denkmal in Ibbenbüren (1902), der Michaelbrunnen in Mettingen (1902) und das Denkmal für den Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen in Telgte (1902). Das Kuhhirten-Denkmal in Bochum (1908) und das Bismarck-Denkmal in Herne-Eickel fielen im Zweiten Weltkrieg der Metallspende zum Opfer und wurden eingeschmolzen. Das Bochumer Kuhhirten-Denkmal wurde 1962 in einer Rekonstruktion wieder errichtet, das Eickeler Bismarck-Denkmal existiert nicht mehr. Fotoquelle: Stadtarchiv Herne. August Schmiemann ist auf dem Foto die 2. Person v.r., daneben regionale Prominenz und Geldgeber.
Quellen
Text: Daniel Westphal
Abbildungen, sofern nicht anders angegeben: Daniel Westphal
Redaktion: Henning Stoffers