Ende Dezember 2021
an dieser Stelle möchte ich einen besonderen Weihnachtsbrief veröffentlichen, den ich in diesen Tagen erhielt. Ulrich Lüke, der Verfasser, nennt ihn ,Weihnachtsdepesche 2021' und ist mit einer Veröffentlichung an diser Stelle gern einverstanden.
In einer Zeit, wo sich so vieles polarisiert, Gegensätzlichkeiten sich aufbauen und Demut und Nächstenliebe bei einigen lautstarken Menschen keine Bedeutung mehr haben mag, ist Nachdenklichkeit und Besinnung wohltuend, vor allen Dingen auch dann, wenn eine Portion Humor mitschwingt.
Ulrich Lüke ist emeritierter katholischer Theologie-Professor und Naturwissenschaftler. Er arbeitet als Krankenhaus-Seelsorger am Franziskus-Hospital. Mehr über ihn und seinen Werdegang erfahren Sie hier.
Ihr Henning Stoffers
...für zweifelhaft Gläubige, zweifellos Ungläubige, ungläubig Zweifelnde, unzweifelhaft Glaubende, unglaublich Zweifelnde, zweifelnd Gläubige und gläubig Zweifelnde, aber auch für unglaublich Gläubige, für unglaublich Ungläubige, den Unglauben Glaubende, für zweifellos Zweifelhafte, für zweifelhaft Zweifellose etc., also für Menschen wie Du und ich.
Wieder einmal drängt sich ein bedeutendes Bild vor unser äußeres und inneres Auge. Aber was will es uns bedeuten? Sagen Sie nicht: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten…“
Im Blick auf das Gesamtgewusel mag man sich fragen: Geht es hier um die Geschichte von den Heinzelmännchen zu Köln, oder eher um die von den Mainzelmännchen aus dem ZDF? Wir wissen es nicht. Vielleicht führt uns das Bild in das Gewusel einer sozialpädagogisch defizitär betreuten Tagesstätte.
Drei Gnome unten links hinter einer Destille scheinen schon zu singen. Einer schleppt auf einem Joch zwei Bottiche, einer schultert einen Krug. Zwei der Kleinen betreuen nahezu unbeaufsichtigt einen Topf auf dem Feuer. Wird hier eine kindgerechte Suppe gekocht oder nur Badewasser vorgewärmt oder gar Badewasser als Suppe aufgetischt? Entleert sich, das wäre empörend, die rotgewandete Erziehungsperson gerade vor aller Kinderaugen in einem Krug? Wir wissen es nicht! Aber angesichts der offensichtlichen personellen Unter- oder Fehlausstattung dieser Einrichtung schwant uns Unheil!
Ist das die leitende Erzieherin der Einrichtung auf der brokatbesticken Matte? Oder ist das die bild-berühmte Frau in der sozialen Hängematte? Oder handelt es sich hier um das neugierige Weib des Schneiders von Köln, das die Heinzelmännchen beobachtet („Neugierig war des Schneiders Weib. Sie machte sich den Zeitvertreib…“), bis dass der Spuk verfliegt? Und was sollen die Viecher hinter oder unter der Matratze? Gerade wenn es sich hier um sozialpädagogisch wertvolle Therapietiere handelte, spricht diese Aufstallung doch artgerechter Tierhaltung Hohn! Ein Kind hält der Erzieherin das Kopfkissen, drei der Gnome steigen ihr aufs Dach und bessern es auf eine mit den Unfallschutzverordnungen und den Jugendschutzgesetzen unvereinbare Weise aus. Die Erzieherin scheint etwas zu essen oder mit Essen zu locken. Isst sie Keks oder doch eher Koks? Was auch immer. So kommt man aus der sozialen Hängematte nicht heraus!
Was soll und will der alte Mann mit seiner Werkbank? Ist er eines der bedauernswerten Opfer der „Rente mit 67“? Ist er der überforderte Beschäftigungstherapeut dieser beschützenden Werkstatt mit seinem leider nicht nachgefragten Hilfsangebot? Oder ist er der in die Jahre gekommene Senior-Fellow einer Dachdeckerfirma, der es, weil er selbst nicht mehr hoch kommt, in empörender Weise mit Kindern versucht? Wir wissen auch das nicht!
Und wer ist dieser dreiste kleine Nackedei, der da am Hausbalken hochklettert? Ist er bei den Arbeiten vom Dach gefallen, oder der Erzieherin entwischt und von der Matte gerutscht? Versucht sie ihn durch Leckereien zurück zu locken? Will der Kleine jetzt auch den armen Alten noch ärgern? Frech winkt er ihr, ihm und uns. Was wir sehen, ist alles in allem teils empörend, teils rätselhaft und doch zugleich wundervoll. Denn das kann uns dieses Bild fürs Leben mitgeben:
Diese Welt ist ein Tollhaus, sie ist in leitenden Stellungen personell fehl- und unterbesetzt. Die Kinder ihrer Zeit machen, wo immer sie können, was immer sie wollen und stets nichts Halbes und nichts Ganzes. Aber da ist einer - wie ein Kind seiner Zeit – wie vom Himmel unter sie gefahren und mischt sie auf, die Alten, die Jungen, die Kinder ihrer Zeit. Den interessiert das ganze Gewese um seine Person nicht, den interessiert das armselige, orientierungslose Gewimmel dieser Welt. Und er richtet seinen, ihren und unsern Blick auf den - das Oben und Unten umfassenden - Goldhorizont des Himmels, der sich schon jetzt über allem Erdendunkel zeigt. Diesen seinen Blick, diese Leben schaffende Hoffnungsperspektive für die Welt wünsche ich Euch und mir.
Quellen
Text: Prof. Dr. Ulrich Lüke
Redaktion: Henning Stoffers