Birgit Wissing schrieb mir, dass sie ein Fotoalbum ihres verstorbenen Vaters besitzt, das dessen Werdegang bei der münsterschen Polizei dokumentiert. Ich habe sehr gern die Unterlagen zur Veröffentlichung auf dieser Seite aufbereitet und danke Birgit für die Bereitstellung und ihre Informationen sehr herzlich.
Heinz Wissing wird 1923 in Münster geboren, besucht die Volksschule, macht eine Lehre als Einzelhandelskaufmann und arbeitet als Verkäufer im Textilhaus Grümer auf dem Prinzipalmarkt.
Wie viele andere junge Männer wird Heinz zum Militär eingezogen. Als Soldat in Russland wird er verletzt und gerät später in französische Kriegsgefangenschaft. Er kann fliehen und kehrt nach Münster zurück.
Polizei-Anwärter-Lehrgang der Landes-Polizeischule Münster
In seinen alten Beruf möchte Heinz Wissing nicht mehr arbeiten. Bei der Arbeitsvermittlung werden ihm zwar Stellen als Straßenbauarbeiter angeboten, aber diese kommen für ihn nicht infrage.
Zufällig hört er, dass die Polizei sich neu organisiert und Personal benötigt. Das ist genau das Richtige für ihn - es entspricht seinen Wünschen.
Kurz entschlossen bewirbt sich Heinz. Es ist eine Entscheidung, die sein künftiges Berufsleben bestimmen wird.
Er besucht vom Februar bis zum Juli 1948 zunächst einen Polizei-Anwärter-Lehrgang. Bereits am 1.8.1948 wird er zum Polizei-Wachtmeister befördert.
Nicht im Entferntesten hat er damals geahnt, dass sein letzter Dienstgrad einmal Kriminalhauptkommissar sein wird.
1953 erfolgt die Beförderung zum Oberwachtmeister. Die Ernennungsurkunde weist unmissverständlich darauf hin, dass der Ernannte seine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen möge, auch dass er das Vertrauen rechtfertige, das ihm durch die Ernennung bewiesen wird. Drei Unterschriften aus der Chefetage zieren die Urkunde
Im gleichen Jahr wird Heinz Wissing die Beamtenschaft auf Probe verliehen.
Zwei Jahre später erhält er die Ernennung zum Polizeihauptwachtmeister mit gleichzeitiger Übernahme in den Beamtenstatus auf Lebenszeit.
15 Jahre nach seinem Dienstantritt werden die Weichen neu gestellt:
Am 1.10.1959 wird Heinz Wissing in die Kriminalhauptstelle Münster versetzt. Er ist nunmehr Polizeihauptwachtmeister im Kriminaldienst und wird im darauffolgenden Jahr zum Kriminalmeister ernannt.
Ab sofort trägt er keine Polizeiuniform mehr. Er ist zuständig für Einbruch, Raub und Erpressung.
In den 1950er und 1960er Jahren ist die Polizei eine rein männliche Domäne. Erst in den 1960er Jahren sind auf den Fotos vereinzelt auch Frauen zu sehen. Sie üben anfangs nur einfache Tätigkeiten im Innendienst aus, zum Beispiel als Schreibkraft oder als Sekretärin. Als Polizistinnen werden sie in dieser Zeit noch nicht eingesetzt.
Eine kleine, untergeordnete Frauenabteilung gab es allerdings: Seit den 1920er Jahren bis 1978 existierte eine ,Weibliche Kriminalpolizei', die ein begrenztes Aufgabengebiet hatte. Die Zuständigkeit bezog sich hauptsächlich auf ,Sittendelikte' und auf Kinder- und Jugendkriminalität.
Wie die Bilder zeigen, wird außerdienstlich viel unternommen. Der nicht immer einfache Dienst schweißt die Männer zu einer Gemeinschaft zusammen. Man sitzt feuchtfröhlich beim Bier, macht Ausflüge in die nähere Umgebung nach Davensberg und auch etwas weiter an den Edersee oder nach Amsterdam. Auch findet man sich unter dem Weihnachtsbaum zusammen.
Nach vielen Lehrgängen und 35 Dienstjahren geht Heinz Wissing 1983 als Kriminalhauptkommissar in den verdienten Ruhestand. Dass er diesen Dienstgrad als ,einfacher Volksschüler' erreichen konnte, machte ihn richtig stolz.
Am 4.9.2013 stirbt Heinz Wissing im Alter von 90 Jahren.
Seine Tochter Birgit berichtet, dass ihr Vater sehr gern bei der Polizei war. Er habe ihr u.a. von dem Rohrbach-Fall erzählt, der bundesweit die Medien beherrschte. Das Blut von Hermann Rohrbach, das in den Ritzen des Parkettbodens gefunden wurde, sei ein eindeutiges Indiz für die Täterschaft seiner Frau Maria gewesen. ,Hermännchen' hätte ihrer Liebschaft im Wege gestanden, er müsse weg, so zitiert sie ihren Vater. - Das Gericht sprach Maria Rohrbach letztlich mangels Beweisen frei.
Der Lebensweg von Heinz Wissing ist typisch für viele Menschen seiner Generation. Sie erlebten die unruhige Zeit der Weimarer Republik und die Jahre der Nazi-Diktatur, die mit dem zerstörerischen Weltkrieg endete. Es folgten die schweren Nachkriegsjahre und die Zeit des Wiederaufbaus mit dem sich anschließenden wirtschaftlichen Aufschwung.
Trotz aller Widrigkeiten haben diese Menschen ihr Leben gemeistert. Wenn wir die Fotos betrachten, ist Optimismus, Zusammenhalt und Lebensfreude unübersehbar. Dieser Blick zurück ist wichtig, insbesondere in der jetzigen Zeit.
Quellen
Informationen und Bildmaterial: Birgitt Wissing
Text und Redaktion: Henning Stoffers