Heinrich Quante war praktischer Arzt und Geburtshelfer. Seine Enkeltochter Ines Vogt gab den Anstoß, ihm diese Webseite zu widmen.
Die Bilder und die weiteren Informationen hat mir die Familie Vogt bereitgestellt, wofür ich herzlich danke. Beim Schreiben dieses Beitrages hatte ich wiederholt das Gefühl, etwas versäumt zu haben, nämlich den Doktor Quante kennenzulernen. Dies lässt sich leider nicht mehr ändern, aber dennoch freue ich mich, hier an dieser Stelle über sein Leben schreiben zu dürfen.
1909 wird Heinrich Quante in Hiltrup geboren. Das kleine, beschauliche Dorf gehört zum damaligen Amt Mauritz und ist seit 1975 Ortsteil von Münster.
Im nahen Münster besucht Heinrich das Schlaun-Gymnasium, macht dort 1930 sein Abitur, studiert bis 1937 Medizin - u.a. in Münster und Wien. Er wird Arzt für Allgemeinmedizin und Geburtshilfe. Während des Studiums steuert Heinrich den ehelichen Hafen an: er heiratet Hedwig Jahn aus Münster. Sechs Kinder werden dem Paar im Laufe der Jahre geschenkt. Das drittälteste Kind stirbt mit neun Monaten. Da ist Heinrich in Russland...
Im 2. Weltkrieg wird Heinrich zunächst als Arzt in Russland eingesetzt, später in den Jahren von 1942 bis 1945 als Stabsarzt auf dem Flughafen Neuburg an der Donau. Zugleich arbeitet Heinrich als praktischer Arzt in Neuburg. Aber schon 1949 zieht es ihn zurück nach Hiltrup, um 1950 seine neue Praxis in der Bahnhofstraße 4 zu eröffnen.
Nach den Kriegsjahren ist Heinrich Quante wieder in seiner alten Heimat angekommen. Hiltrup ist der Mittelpunkt seines Lebens. Hier ist er verwurzelt, hier ist seine Familie, hier kennt er die Menschen von Kindesbeinen an, und hier wird er sterben.
Im Alter von 65 Jahren beginnt sein Ruhestand. Heinrich Quante stirbt 1999. Er wird 90 Jahre alt.
Heinrich Quante ist ein exzellenter Erzähler von Fantasie-Geschichten, die ihm spontan einfallen. Seine Kinder lauschen ihm dann gebannt, wenn er ihnen abends am Bett erzählt. Dazu macht er begleitende Geräusche, wie das Knurren eines Hundes oder das Krächzen eines Vogels. Wenn Nachbarn sich dazugesellen, sind sie völlig verängstigt und mögen den Heimweg am liebsten gar nicht mehr antreten.
Aber er ist mit weiteren kreativen Gaben ausgestattet.
So bastelt er im Ruhestand ein Modell einer Mühle, die einst nahe am Kanal stand. Für das Fachwerk wird Eichenholz gewählt, die Außenflächen bekommen einen Lehmputz.
Auch den Kanalbau mit Fremdarbeitern Ende des 19. Jahrhunderts lässt er als Modell von einer Größe von 80 mal 80 cm wiedererstehen
Die Modelle gehen an das Hiltruper Heimatmuseum.
Seinen Patienten vermag er auch in schweren Lebens-Situationen Mut zu machen. Und dafür wird er geliebt und geachtet.
Als einmal einem Kleinkind eine Erbse in der Nase steckt und mit den üblichen Instrumenten nicht entfernt werden kann, bastelt Heinrich einen kleinen Staubsauger. Ohne Blutvergießen kann so die Erbse kurzerhand mit Unterdruck abgesaugt werden.
Auch für allerlei Spökes ist er immer zu haben. Heinrich verkleidet sich gern, zum Beispiel mit einem aufgeklebten Bart bei einer Karnevalsfeier auf(!) dem Steiner See (siehe Foto). Hin und wieder erfreut er als Zauberer seine Zuschauerschaft mit kleinen Kunststücken.
Heinrich hilft gern - wenn es sein soll allen Leuten zu jeder Zeit. Ein Beispiel:
An einem Heiligabend sitzt die Familie vor der Bescherung zusammen, als er zu einer Patientin gerufen wird. Bei dem Krankenbesuch geht es allerdings nicht nur um ärztliche Hilfe. Die Beleuchtung des Tannenbaums funktioniert nicht, und die Kinder der Patientenfamilie sitzen traurig vor dem Baum. Doktor Quante bastelt und ,tüddelt' etwas zusammen, bis nach einiger Zeit die Lichter wieder leuchten.
Dass seine Familie lange zuhause auf ihn wartet, ist ihm in dem Moment schlicht entfallen. Heinrich ist immer für jeden da - egal ob medizinisch oder handwerklich.
Seine Familie ist daran gewöhnt, auf ihn zu warten..
Als Landarzt kennt Heinrich Quante Land und Leute. Er beobachtet all das, was sich in seinem Umfeld ereignet. Neben der medizinischen Fertigkeit hat Heinrich eine ausgeprägte künstlerische Gabe: zu seinen originellen Comic-Zeichnungen aus Tusche dichtet Heinrich begleitende Texte in Reimform - auf Plattdeutsch wie auch auf Hochdeutsch.
Im Alter von mehr als 80 Jahren zeichnet und schreibt Heinrich seine Hiltruper Erinnerungen. Ein schlichtes, aber liebevoll gestaltetes Gästebuch verwendet er für diese Zwecke. Das Büchlein trägt den Titel ,Geschichten ut Hiltrup ab 1910 - Aufgezeichnet von Heinrich Quante 1991'.
Es sind Anekdoten, die mit feiner Beobachtungsgabe und mit viel Humor in eine längst vergangene Zeit führen. Das damals kleine, überschaubare Hiltrup liefert den Stoff für Heinrichs Geschichten. Es sind die dörflichen Ereignisse und Begebenheiten, die von ihm mit viel Hingabe aufgegriffen werden.
Dem Büchlein liegt eine vierblättrige Broschüre im etwas größeren Postkartenformat bei. Eine selbstgebastelte Zwirnsfadenbindung hält die Blätter zusammen.
Zu Quantes Freundeskreis gehört offensichtlich der Apotheker Gerhardus, von dem das humorige und liebevoll gestaltete kleine Werk handelt.
Folgende Nachricht seiner Großnichte Martina Jud erreichte mich:
Ich habe heute sehr viel über meinen Onkel nachgedacht. Als mein Großvater starb, hat er (Doktor Quante) sich medizinisch um mich gekümmert. Er war mehrmals bei uns und hat mir etwas zur Beruhigung gegeben. Auch als es im Schlafzimmer meiner Eltern gebrannt hat, war er nachher bei uns und hat sich um meine Oma, meine Mutter und mich gekümmert. Mein Vater und meine Schwester waren mit dem Krankenwagen ins Herz-Jesu-Krankenhaus gebracht worden. Für mich war er ein Mediziner, wie wir es uns heute wünschen würden.
Manchmal habe ich seinen Geschichten aus dem Alltag gelauscht, wenn wir z.B. am Kachelofen saßen und er das Gespräch mit meinem Opa suchte. Und ein Highlight war sein Schwimmbad, in dem ich natürlich schwimmen durfte.
Es ist wunderbar zu lesen, dass er noch so viel mehr Talente hatte, als ich es geahnt habe.
Als Kind bin ich viele Jahre in seinem Haus ein und aus gegangen und habe ihm wahrscheinlich sogar mein Leben zu verdanken. Er diagnostizierte bei mir einen Blinddarmdurchbruch und schickte
mich auf dem Gepäckträger von Opas Fahrrad in das Herz Jesu Krankenhaus. Dort wartete man schon auf mich und brachte mich umgehend in den Operationsaal.
Nun war ich auf dem Dachboden und habe in den alten Unterlagen meines Grossvaters Aloys Quante gestöbert. Neben alten Zeugnissen, einem Gedicht zum Muttertag, dem Grundbucheintrag von der
Bahnhofstrasse 4, einer Entnazifizierungsurkunde, fand ich noch etwas Schönes! Die Brüder hatten nämlich ein sehr gutes Verhältnis, und ich kann das zum Teil belegen. Mein Onkel versuchte meinem
Grossvater mit einem medizinischen Gutachten zu helfen und er schrieb sogar einen Brief für meine Grossmutter, nachdem er bei einem alten Arbeitgeber schon für sie und meinen Opa vorgesprochen
hat.
Mit dem Tod meines Großvaters Aloys Quante ging der Kontakt ein wenig verloren. Aber Heinrich war immer wieder mal Gast im Haus, wenn er sich um meine Großmutter Josefa kümmerte. Ich habe bis 1991 noch auf der Marktallee 4 (vorher Bahnhofstraße 4/Adolf-Hitler-Straße 4) gewohnt.
Hier geht's zur Fortsetzung: Doktor Quantes Bildgeschichten
Quellen
Bilder: Entnommen der Leihgabe von Ines Vogt
Belgeitender Text: Henning Stoffers