Liebe Leserin, lieber Leser,

historische Fotos vieler Schauplätze zeigen uns erstaunliche Veränderungen, wenn wir sie mit heutigen vergleichen. Die folgenden Beispiele machen dies deutlich.

 

Der Not der Nachkriegsjahre gehorchend wurden zerstörte Gebäude oft einfach und schmucklos durch neue ersetzt. Es kam auch zu Abrissen, weil bestehende Baukörper den Verkehrsabläufen im Wege stand oder durch neue ersetzt werden sollten.

 

Von Pjer Biederstädt (Journalist und WN-Redakteur) stammen die beiden ersten Beiträge.

 

Den 1. Teil der Geschichte finden Sie hier.


Gestern und heute - Teil II

Ein Blickwinkel - Zwei Geschichten - Autor Pjer Biederstädt


Wo in den 1950er Jahren eine Metzgerei war, ist heute ein Friseur. Aus der Tankstelle wurde ein Café: Die Aegidiistra8e hat sich gewandelt, erinnert hier und dort aber doch noch an früher.

In Scharen kommen die Münsteraner zum Metzgereigeschäft Reinhard Meyer in der Aegidiistraße. Mitte der 1950er-Jahre, aIs das Bild aufgenommen wurde, war die Lebensmittelversorgung kein Problem mehr. Autor und Münster-Kenner Henning Stoffers mutmaßt, dass es sich um die Neueröffnung des Geschäftes oder um eine Angebotsaktion handelt. Heute ist in dem Ladenlokal ein Friseur ansässig. Und aus dem Flachbau von Polstermöbel Jaschke ist längst ein mehrstöckiges Haus geworden.

 

Der rechte Bildrand des historischen Fotos erzählt eine zweite Geschichte: Dort sind die Werbetafeln der Tankstelle zu sehen, die zum Zeitpunkt der Aufnahme nur wenige Jahre alt sein kann. Spätestens 1997 wurde die ehemalige Gasolin-Tankstelle, die zu dem Zeitpunkt eine Taxizentrale war, überregional bekannt. Der kanadische Künstler Kim Adams installierte auf dem Flachdach anlässlich der Skulptur-Projekte ein surreal anmutendes Wohnraumbüro als Metapher für das moderne, nomadenhafte Leben.

 

Das „Auto Office Haus“ wurde im Herbst 2014 durch einen herabfallenden Ast beschädigt, einige Zeit später wurde es deinstalliert. Das Café Gasolin ist aber bis heute eine Institution.


Münsters Bezirksregierung - Autor Pjer Biederstädt

In Münster nahm die „Königliche Regierung“ ihren Sitz im sogenannten Fürstenhof am Domplatz. Dort hatte 1803 bereits Kammerpräsident Karl Freiherr vom Stein Quartier bezogen. Die repräsentative Dreiflügelanlage aus dem 17. Jahrhundert mit ihren bis ins Spätmittelalter zurückreichenden Fundamenten war einst Sitz der fürstbischöflichen Kanzlei. Der Fürstenhof stand auf dem gleichen Grundstück, auf dem sich seither alle Nachfolgebauten der Regierung befinden. Das historische Haus war auch der Ort, an dem im Jahr 1648 die Gesandten, die über kein eigenes Domizil verfügten, den „Westfälischen Frieden“ paraphierten. 1885 wurde es abgebrochen.


Der Neubau der Regierung zu Münster im Jahr 1890

Bis 1890 entstand am gleichen Ort das neue Regierungspräsidium im Stil der niederländischen Renaissance. Der stattliche Bau mit seiner kunstvollen inneren Gestaltung und seiner geradezu opulenten Raumverschwendung diente auch den Repräsentationspflichten des Regierungspräsidenten. Er selbst wohnte dort.


Das Konsistorium am Domplatz und der Wiederaufbau des Regierungsgebäudes

Dieser Beitrag erzählt die Geschichte zweier Bauwerke an historischem Ort. - Wenn wir heute das Gebäude der Bezirksregierung sehen, ist nicht zu erahnen, wie es dort früher einmal aussah. Nichts von der alten Bausubstanz ist erhalten geblieben oder erinnert daran.

Das Konsistorium

Bis 1887 waren die Ämter des  Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, des Regierungspräsidenten und des Präsidenten des Evangelischen Konsistoriums der Provinz Westfalen in einer Person vereint. Dienstsitz des für Kirchen- und Schulsachen zuständigen Konsistoriums war das Haus Domplatz 3, das sich unmittelbar an das frühere Regierungsgebäude anschloss und mit der Seitenfront am Geisbergweg lag, den es damals noch nicht gab. - Ob die katholische Obrigkeit vielleicht etwas ,angepiekst' war, dass das nur einen Steinwurf vom Dom enfernte Evangelische Konsistorium dort seinen Sitz hatte, ist nicht überliefert.

 

Dieses Gebäude war die frühere Kurie des Grafen von Elverfeld, erbaut von dem münsterischen Baumeister Wilhelm Ferdinand Lipper. Später war es Dienstgebäude für das Provinzial-Schulkollegium und andere Dienststellen. Im Volksmund wurde das Gebäude kurz 'Konsistorium' genannt.

 

1943 kam es bei einem Bombenangriff zur vollständige Zerstörung des Gebäudes

 

In Anlehnung an die alten Pläne wurde das Konsistorium nach dem Krieg wieder aufgebaut.

Der Neubau des Riegierungsgebäudes

Vor dem Abriss ca. 1960: Linke das Regierungsgebäude, daneben das für wenige Jahre neu errichtete Konsistorium
Vor dem Abriss ca. 1960: Linke das Regierungsgebäude, daneben das für wenige Jahre neu errichtete Konsistorium

Auch das alte Regierungsgebäude am Domplatz wurde durch Bomben beschädigt. Nach notdürftiger Reparatur konnte das Gebäude jedoch weiter genutzt werden.

 

1965 kam es trotz heftiger Proteste zum Abriss. Es sollte neu und größer gebaut werden. Das nebenstehende Konsistoriums, das kurz nach dem Krieg erst neu errichtet worden war, wurde für eine größere Bebauung des Regierungsgebäudes abgerissen.

Sicherlich wäre der Erhalt der alten Regierung nicht nur als nostalgische Bereicherung des Stadtbildes begrüßt worden. Insbesondere wäre auch ein wertvolles Zeugnis unserer Stadtgeschichte erhalten geblieben.

Man hatte sich zwar vor mehr als 50 Jahren Gedanken über den Fortbestand des Gebäudes gemacht, sich aber für eine eher pragmatische Lösung entschieden.

 

Bereits vor und während der Bauphase gab es kritische Stimmen zum Bauvorhaben. Der damalige Regierungspräsident Dr. Josef Schneeberger äußerte sich dazu in einem WN-Interview und sprach sowohl von Befürwortern als auch von ablehnenden Stimmen. Er sagte dazu: ,Wer auf dem Marktplatz baut, hat viele Baumeister.'. Trotz guter Absicht wurde eine Chance vertan.

 

Inzwischen hat das Gebäude eine neue Außenfassade erhalten. Ein Beispiel kalter, funktionaler Architektur der 1960er Jahre an einem historischen Ort gehört inzwischen der Vergangenheit an.


Brunnengeschichte: Vom Antoniusbrunnen zum Lambertusbrunnen

Einst war der Antoniusbrunnen an der Lambertikirche Münsters bekanntester Brunnen. Das kleine Bauwerk wurde ,Schweinetürmchen' genannt und hatte oberhalb eine Glocke. Sie läutete jeweils den Beginn des Schweinemarktes ein. Das Bauwerk wurde 1833 abgerissen. - Es hieß, wenn das Schweinetürmchen nicht mehr steht, käme Unglück über die Stadt...

Die Bürgerschaft bestaunt den neuen Brunnen
Die Bürgerschaft bestaunt den neuen Brunnen
Kinder verkleidet fürs Lambertusspiel um1910
Kinder verkleidet fürs Lambertusspiel um1910
Danach konnte einige Jahrzehnte nahe der Lambertikirche Wasser aus einer Pumpe bezogen werden. Näheres über die Errichtung der Pumpe und deren Abbau lässt sich heute nicht mehr feststellen. Vielleicht wurde die Pumpe als Ersatz für den Brunnen des Schweinetürmchen eingerichtet.

 

Der von Heinrich Bäumer sen. gebaute Lambertusbrunnen entstand 1909 als Schmuckbrunnen. Gekrönt war das Bauwerk mit einem kunstvoll gefertigten Schmiedearbeit, ähnlich einem Baldachin. Unter der eisernen Haube befanden sich Figuren des bäuerlichen Lebens, eine Ebene tiefer waren tanzende Kinder beim Lambertusspiel dargestellt. Die innere Umrandung des Brunnens zeigte Reliefplatten mit dem Text ,Der Herr schickte den Jäger aus...'. Dieses Lied wurde neben anderen von den Kindern beim Lambertusspiel gesungen. Das Ganze umgab ein niedriger, eisener Zaun mit einer innenliegenden Bepflanzung.

 

Dieses prächtige Bauwerk wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Einige erhaltene Brunnenteile lagern im Stadtmuseum.

 

1956 schuf Heinrich Bäumer jun. einen modernen, schlichteren Brunen. Vier auf einem runden Sockel stehenden Figuren stellen Menschen des bäuerlichen Lebens dar.

WN 17.9.1956
WN 17.9.1956

Während der Heimattage, es war der 15.9.1956, wurde der Brunnen feierlich eingeweiht. Alles was Rang und Namen hatte, war versammelt. Tausende Kinder waren gekommen, um bei dem Ereignis dabei zu sein. Reden wurden gehalten, es gab den kirchlichen Segen und die Kinder sangen im Reigen rund um den Brunen die traditionellen Lambertuslieder.

 

Im Hörfunk ,Zwischen Rhein und Weser' sendete der NDWDR auf UKW Tonaufnahmen der Einweihungsfeier. Das Fernsehen brachte einige Tage später Bildaufzeichnungen. Auch die WN berichtete ausführlich über das Ereignis. Es war ein großes Fest für Münsters Bevölkerung.

 

Einige Jahrzehnte lang war der Platz rund um den Brunnen beliebter Treffpunkt junger Menschen. Meist nach der Schule oder nach einer Vorlesung stand man in Grüppchen zusammen und tauschte sich aus.

Vor Jahren standen Reparaturen an, sie wurden aber nicht ausgeführt, und so lag der Brunnen lange Zeit trocken. Nach notdürftiger Instandsetzung im Jahre 2023 führt der Lambertusbrunnen zur allerseitigen Freude wieder Wasser. Weitere größere Instandsetzungsarbeiten stehen in den nächsten Jahren an. Es wäre begrüßenswert, wenn bei dieser Gelegenheit die alten Brunnenteile integriert werden würden...


Der alte Drubbel

Der historische Drubbel um 1905 vor dem Abriss
Der historische Drubbel um 1905 vor dem Abriss
Der Platz nach Abriss des Drubbels um 1910 und 2015
Der Platz nach Abriss des Drubbels um 1910 und 2015

Auf engstem Raum, es waren nur 441 qm, standen 10 Wohn- und Geschäftshäuser. Das kleinste Haus hatte eine Grundfläche von wenig mehr als 20 qm. In der Mitte der Gebäudeansammlung befand sich ein kleiner Hof. Es gab ein Kurzwarengeschäft, einen Frisör, eine Messerschmiede, einen Kolonialwarenladen, ein Geschäft für Seilerwaren, einen Papier- und Bilderladen, eine Weinhandlung, eine Annoncenannahme und weitere Geschäfte. Über den Ladenlokalen waren die kleinen Wohnungen der Geschäftsleute...

 

Die Durchfahrt für die Straßenbahn war an der schmalsten Stelle nur etwas mehr als 4 Meter breit. Sie fuhr damals nicht schneller als gemächliche 12 Stundenkilometer.

 

Die Fahrradfahrer waren aufgefordert abzusteigen. Andere Fahrzeuge, es waren damals meist Pferdefuhrwerke, durften nur im Schritttempo fahren.

 

Nach einem Brand, der offensichtlich für die Stadtväter gelegen kam - man munkelte von Brandstiftung -, wurden die Gebäude in den Jahren 1906/07 abgebrochen. Das Motiv für diese Entscheidung lag in dem zunehmenden Straßenverkehr, für den die dichte Bebauung ein störendes Nadelöhr darstellte.

 

Das Juwel eines historischen Baudenkmals ging für immer verloren.

Als Ende August 1907 Kaiser Wilhelm II. die Stadt besuchte, wurde der sich im Abriss befindliche Drubbel mit Tüchern verhängt und mit Girlanden geschmückt. Das kaiserliche Auge sollte mit dem Anblick der hässlichen Ruine nicht belästigt werden.

 

Das nebenstehende Bild zeigt den Kaiser (helle Uniform, rechts am Bildrand) mit großem Gefolge am Drubbel.



Quellen

Text, wenn nicht anders angegeben: Henning Stoffers

Abbildungen: Sammlung Stoffers (Münsterländische Bank - Stadtarchiv)